Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu einer Ein- bzw. Umgruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur aus den im Gesetz abschließend genannten Gründen verweigern.
Er genügt der gesetzlichen Begründungspflicht, wenn es als möglich erscheint, dass er mit seiner schriftlich gegebenen Begründung einen der in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend macht. Eine Begründung, die sich in der Benennung einer der Nummern des § 99 Abs. 2 BetrVG oder in der Wiederholung von deren Wortlaut erschöpft, ist unbeachtlich. Gleiches gilt für eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt. Die Begründung des Betriebsrats braucht nicht schlüssig zu sein. Konkrete Tatsachen müssen nur für die auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 BetrVG gestützte Verweigerung angegeben werden.
So auch in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall: Die Stellungnahmen des Betriebsrats werden den Anforderungen an die gesetzliche Begründungspflicht gerecht. Sie geben in ausreichender Weise Gründe für die Verweigerung der Zustimmung zu den beabsichtigten Ein- bzw. Umgruppierungen an. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung in den gleichlautenden Stellungnahmen ua. deshalb verweigert, weil der zwischen ver.di und AVR abgeschlossene Manteltarifvertrag nicht angewendet worden sei. Damit hat der Betriebsrat geltend gemacht, die Arbeitgeberin nehme Ein- bzw. Umgruppierungen in einen nicht zur Anwendung kommenden Tarifvertrag vor. Dies kann einen Grund für die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG darstellen. Darüber hinaus rügt der Betriebsrat, ein Wechsel der Vergütungsordnung sei ohne seine Beteiligung erfolgt. Auch diese Begründung kann § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zugeordnet werden. Die Eingruppierung in eine betriebliche Vergütungsordnung, die wegen Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unwirksam ist, stellt einen Gesetzesverstoß dar.
Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu den im Antrag aufgeführten Ein- bzw. Umgruppierungen in das Vergütungsschema des MTV/VTV AVR-DBV zu Unrecht verweigert. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgrunds nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG liegen nicht vor. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.
Die Ein- bzw. Umgruppierungen in das Vergütungsschema des MTV/VTV AVR-DBV erfolgen in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Die sich aus dem MTV/GTV AVR-ver.di 2004 ergebende Vergütungsordnung ist nicht die alleinige im Betrieb der Arbeitgeberin betriebsverfassungsrechtlich geltende. Bei Ein- und Umgruppierungen iSv. § 99 BetrVG ist neben ihr zumindest diejenige Vergütungsordnung anzuwenden, die aus den mit dem DBV geschlossenen Tarifverträgen folgt.
Im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers stellt die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung zugleich das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts der Arbeitnehmer dar. Zwar handelt es sich bei tariflichen Vergütungsregelungen nicht um Betriebsnormen iSv. § 3 Abs. 2 TVG, die unabhängig von der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer maßgeblich sind, sondern um Inhaltsnormen, die nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend nur zwischen dem Arbeitgeber und den tarifgebundenen Arbeitnehmern gelten. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der tarifgebundene Arbeitgeber dennoch betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen. Dieses Verständnis geben die Funktion des Tarifvorbehalts in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG sowie der Normzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vor.
Ist der Arbeitgeber an zwei tarifliche Vergütungsordnungen gebunden, die zu einer Tarifpluralität führen, werden seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten durch das Bestehen zweier, unabhängig voneinander geltender Entgeltsysteme erweitert. Er ist dann grundsätzlich verpflichtet, die Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats den Entgeltgruppen der beiden betriebsverfassungsrechtlich geltenden Vergütungsordnungen zuzuordnen. Ob sie einen vertraglichen Anspruch auf die Anwendung dieser Tarifverträge haben oder unmittelbar tarifgebunden sind, hat auf die gegenüber dem Betriebsrat bestehende Pflicht des Arbeitgebers aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG keinen Einfluss.
Danach ist die Arbeitgeberin jedenfalls auch an die sich aus dem MTV/VTV AVR-DBV 2016 ergebende tarifliche Vergütungsordnung gebunden.
Die Arbeitgeberin war bis zum 31.05.2006 und bis zum 28.02.2013 an die mit ver.di und mit dem DBV getroffenen Tarifverträge und damit an Vereinbarungen unterschiedlicher Gewerkschaften unmittelbar und zwingend gebunden. Die zwischen AVR und DBV getroffenen Vereinbarungen wurden nicht aufgrund einer Tarifkonkurrenz verdrängt. Die Existenz zweier tariflicher Vergütungsordnungen, die mit unterschiedlichen Gewerkschaften vereinbart worden sind, führt vielmehr zu einer Tarifpluralität, bei der die jeweiligen Tarifnormen unabhängig voneinander für die jeweils tarifgebundenen Arbeitnehmer gelten.
Es kann dahinstehen, ob die Vergütungsordnung nach MTV/VTV AVR-DHV von der DHV als einer tariffähigen Arbeitnehmerkoalition abgeschlossen worden ist. Die DHV und der DBV haben voneinander unabhängige, rechtlich selbständige Tarifverträge abgeschlossen. Eine Tarifunfähigkeit der DHV führte daher nicht zur Nichtigkeit der vom DBV abgeschlossenen Tarifverträge.
Der Umstand, dass MTV/GTV AVR-ver.di 2004 gekündigt wurden, hat keine Auswirkungen auf das für den Betrieb maßgebliche kollektive Entgeltschema. Endet die unmittelbare und zwingende Wirkung eines Tarifvertrags aufgrund seiner Kündigung, bleiben die im Betrieb geltenden Grundsätze der betreffenden tariflichen Vergütungsordnung auch nach Eintritt der Nachwirkung iSd. § 4 Abs. 5 TVG das für den Betrieb maßgebliche kollektive Entgeltschema. Der Eintritt der Nachwirkung hat lediglich zur Folge, dass das im Betrieb geltende kollektive, abstrakte Entgeltschema und die in ihm zum Ausdruck kommenden Vergütungsgrundsätze nicht mehr zwingend gelten. Das ändert jedoch nichts daran, dass diese Grundsätze bislang im Betrieb angewendet wurden und deshalb dort geltende Entlohnungsgrundsätze sind. Bis zu einem wirksamen Änderungsakt sind sie grundsätzlich betriebsverfassungsrechtlich weiter gültig.
Die Tarifverträge des DBV werden nicht gemäß § 4a TVG von denen – aus Sicht des Betriebsrats – repräsentativen Tarifverträgen von ver.di verdrängt. Die Anwendung der Kollisionsregel in § 4a TVG setzt nach § 13 Abs. 3 TVG voraus, dass eine Tarifkollision auf Grundlage von am 10.07.2015 noch nicht geltenden Tarifverträgen besteht. Jedenfalls die Tarifverträge von ver.di galten bereits vorher. Im Übrigen kann nur eine Tarifkollision zwischen nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG normativ wirkenden Tarifverträgen durch § 4a TVG aufgelöst werden, nicht jedoch zwischen einem Tarifvertrag, an den der Arbeitgeber nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG gebunden ist und einem nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkenden Tarifvertrag.
Auf den (unbegründeten) Einwand der Arbeitgeberin, das auf einem nachwirkenden Tarifvertrag beruhende und diskriminierende Vergütungssystem des MTV/GTV AVR-ver.di 2004 sei durch den Abschluss von günstigeren Tarifverträgen mit einer anderen Gewerkschaft abgelöst worden, kommt es vorliegend nicht an. Dieser Aspekt hat auf die Anwendbarkeit der sich aus dem MTV/VTV AVR-DBV 2016 ergebenden tariflichen Vergütungsordnung, auf die sich die Zustimmungsersetzungsanträge allein beziehen, jedenfalls keinen Einfluss.
Entgegen der Auffassung des Betriebsrats ist die vom AVR mit dem DBV vereinbarte tarifliche Vergütungsordnung nicht unter Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und damit betriebsverfassungswidrig von der Arbeitgeberin eingeführt worden. Die Arbeitgeberin hat die im Betrieb geltende kollektive Vergütungsordnung nicht einseitig geändert. Die DBV-Tarifverträge sind ebenso Bestandteil der betrieblichen Vergütungsordnung wie die mit ver.di vereinbarten. Die Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin beruht auf ihrer Mitgliedschaft im AVR. Dieser hat jedenfalls seit 1979 eigenständige Tarifverträge mit ver.di und dem DBV geschlossen. Diese sind Teil der betrieblichen Vergütungsordnung unabhängig davon, ob sie inhaltsgleich sind oder nicht. Indem die Arbeitgeberin im Rahmen des Zustimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG Ein- und Umgruppierungen nach den mit dem DBV ab dem Jahr 2008 vereinbarten Tarifverträgen vornimmt, führt sie keine andere betriebliche Vergütungsordnung ein, sondern wendet eine bereits bestehende an.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. September 2017 – 7 ABR 8/16